Erweist sich die Prozess- oder Verfahrensführung als mutwillig, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe abzulehnen (§ 114 Abs. 1 ZPO; § 76 Abs. 1 FamFG). Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung wiederum, wenn eine Partei, die keine Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 Abs. 2 ZPO, § 76 Abs. 1 FamFG).
Die Frage der Mutwilligkeit stellt sich insbesondere dann, wenn der Anwalt für seinen Mandanten gesonderte Verfahren eingeleitet hat, obwohl es möglich gewesen wäre, die verschiedenen Begehren der auftraggebenden Person in einem Verfahren geltend zu machen. Solche Fälle treten insbesondere dann auf, wenn gesonderte Klagen erhoben werden, obwohl der Mandant auch im Wege der Klagehäufung hätte vorgehen können.
Beispiel:
Die Klägerin reicht zwei gesonderte Klagen ein auf Rückzahlung der Mietkaution und auf Auszahlung eines nach ihrer Auffassung sich ergebenden Guthabens aus der letzten Betriebskostenabrechnung.
Hier wäre ohne Weiteres eine gemeinsame Klage im Wege der objektiven Klagehäufung möglich gewesen. Dadurch wäre aufgrund der Gebührendegression eine geringe Vergütung angefallen.
Das Gleiche gilt dann, wenn bereits eine Klage eingereicht worden ist und eine weitere Klage eingereicht wird, obwohl auch eine Klageerweiterung möglich gewesen wäre.
Beispiel:
Die Klägerin hatte bereits eine Kündigungsschutzklage eingereicht und reicht jetzt eine gesonderte Klage auf Zahlung rückständiger Lohnansprüche ein.
Hier hätte die Möglichkeit bestanden, die Kündigungsschutzklage um die Lohnansprüche zu erweitern, was wegen der Gebührendegression wiederum günstiger gewesen wäre. Das Vorgehen ist daher mutwillig, so dass die beantragte Prozesskostenhilfe und die Beiordnung abzulehnen ist (BAG, Beschl. v. 17.2.2011 – 6 AZB 3/11, NJW 2011, 1161 = JurBüro 2011, 374).
Auch die Möglichkeit einer Widerklage oder eines Widerantrags zählen hierzu.
Beispiel:
Der Ehemann stellt vor dem FamG einen Antrag auf Auskunft zum Endvermögen der Ehefrau. Die Ehefrau reicht daraufhin einen gesonderten Antrag auf Auskunft über das Endvermögen des Ehemanns ein.
Hier wäre ein Widerantrag günstiger gewesen, da in diesem Falle wiederum die Gebührendegression gegriffen hätte.
In solchen Fällen ist dem Antragsteller auch keine Prozesskostenhilfe unter Abzug vermeidbarer Mehrkosten zu bewilligen. Der beanspruchten Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Beiordnung steht entgegen, dass die Rechtsverfolgung des Antragstellers mutwillig i. S. v. § 114 S. 1 ZPO ist. Daher ist die Bewilligung insgesamt abzulehnen (BAG, Beschl. v. 17.2.2011 – 6 AZB 3/11, NJW 2011, 1161 = JurBüro 2011, 374).
Nur für den Fall, dass das zweite Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe bereits abgeschlossen ist, sind Bewilligung und Beiordnung für die Mehrkosten auszusprechen (OLG Hamm, Beschl. v. 12.12.2016 – II-4 WF 171/16, FamRZ 2017, 1143).
Häufig fällt das getrennte Vorgehen erst im Rahmen der Vergütungsfestsetzung nach § 55 RVG auf. Die Urkundsbeamt:innen sehen sich dann häufig veranlasst, die angemeldeten Vergütungsansprüche mit der Begründung zu kürzen, das Vorgehen der bedürftigen Partei bzw. des bedürftigen Beteiligten sei rechtsmissbräuchlich und damit mutwillig. Die Vergütung wird dann insgesamt auf den Betrag gekürzt, der sich ergeben hätte, wenn das Begehren der bedürftigen Partei bzw. des bedürftigen Beteiligten in einem Verfahren geltend gemacht worden wäre.
Beispiel:
Die Klägerin hatte zunächst eine Kündigungsschutzklage eingereicht (Streitwert: 6.000 €) und später durch gesonderte Klage rückständige Lohnansprüche in Höhe von 4.000 € geltend gemacht. Für beide Verfahren ist ihr Prozesskostenhilfe bewilligt und eine Anwältin beigeordnet worden. Die Anwältin meldet nach Abschluss der Verfahren zur Festsetzung an:
I. Kündigungsschutzprozess
- 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 6.000,00 €)
- 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 6.000,00 €)
- Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
- 19 % Umsatzsteuer. Nr. 7008 VV
Gesamt
II. Prozess über Lohnansprüche
- 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 4.000,00 €)
- 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 4.000,00 €)
- Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
- 19 % Umsatzsteuer. Nr. 7008 VV
Gesamt
383,50 €
354,00 €
20,00 €
757,50 €
143,93 €
901,43 €
361,40 €
333,60 €
20,00 €
715,00 €
135,85 €
850,85 €
Die Urkundsbeamtin hält das Vorgehen für rechtsmissbräuchlich und setzt die Vergütung insgesamt nur insoweit fest, als sie aus dem Gesamtwert von 10.000 € entstanden wäre.
- 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert 27.800,00 €)
- 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 27.800,00 €)
- Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
- 19% Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
440,70 €
406,80 €
20,00 €
340,00 €
164,83 €
1.032,33 €
Das letzte Gericht, das hier noch anderer Auffassung war, das LAG München, hat zwischenzeitlich seine Rechtsprechung geändert und hat die nachträgliche Mutwilligkeitsprüfung ebenfalls für unzulässig erklärt (LAG München, Beschl. v. 21.2.2023 – 11 Ta 30/23, NZA-RR 2023, 374).
Nicht verwechselt werden darf die Frage der Mutwilligkeit bei der Festsetzung der PKH- bzw. VKH-Vergütung mit der Kostenfestsetzung nach den §§ 103 ff. ZPO. Im Rahmen der Kostenfestsetzung ist die Mutwilligkeit getrennten Vorgehens durchaus zu prüfen.
Ein Kostenfestsetzungsverlangen kann danach als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat.
Dies liegt daran, dass die Gegenpartei - im Gegensatz zur Landeskasse - keine Möglichkeit hat, auf das Vorgehen des Mandanten Einfluss zu nehmen. Hier kann erst im Nachhinein geprüft werden, ob das Vorgehen rechtsmissbräuchlich war. Ist dies der Fall, dann wird die Kostenerstattung auf die Kosten beschränkt, die angefallen wären, wenn er ein einziges Verfahren geführt hätte (BGH, Beschl. v. 11.9.2012 – VI ZB 59/11, AGS 2012, 511 = AnwBl. 2012, 1007 = NJW 2013, 66). Das lässt sich aber nicht auf die Festsetzung der VKH-Vergütung übertragen.