Einsatz von Vermögen

Subjektive Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe

Der Vermögensbegriff[1] wird im Gesetz nicht gesondert definiert, sondern vorausgesetzt. In Abgrenzung zum Einkommen sind darunter „alle Gelder, Forderungen, Rechte und sonstige verwertbare bewegliche und unbeweglichen Gegenstände zu verstehen, die nicht dazu bestimmt sind, den laufenden Unterhalt zu decken[2]“. Nicht verbrauchtes Einkommen wird mit Ablauf des entsprechenden Zeitraums zu Vermögen[3].

Grundsätzlich kann für die Prüfung des Einsatzes von Vermögen festgehalten werden, dass die obergerichtliche Rechtsprechung eine recht enge Auslegung der einschlägigen Vorschriften verlangt.

Vermögen ist, soweit zumutbar, zur Deckung der Verfahrenskosten einzusetzen (§ 115 III ZPO).

Dabei ist unerheblich, ob das Vermögen der Partei freiwillig (z. B. durch Schenkung) zugeflossen ist oder ob ein Anspruch darauf bestand. Die Fragen der Pfändbarkeit oder der steuerlichen Behandlung spielen keine Rolle. Insbesondere bedeutet der Bezug von Bürgergeld nicht automatisch Vermögenslosigkeit[4]. Bei der Bedürftigkeitsprüfung des Bürgergelds gelten erheblich höhere Freibeträge.

Einzusetzen sind alle Arten von Geld- und Sachleistungen, unabhängig davon, woher diese stammen.

Um gewisse Härten zu vermeiden, definiert § 115 III ZPO jedoch in Satz 2 durch Verweisung auf § 90 SGB XII gewisse Werte, die der Partei zu belassen sind. Die Obergerichte verlangen dabei eine präzise Anwendung der entsprechenden Regelungen.

  1. Grundsätzlich ist Vermögen einzusetzen.
  2. Das Vermögen muss verwertbar sein.
  3. Es darf kein Schonvermögen und
  4. kein Härtefall sein.

Auszug aus dem Gesetzestext:

90 SGB XII Einzusetzendes Vermögen

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

  1. eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
  2. eines Kapitals einschließlich seiner Erträge, das der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde,
  3. eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken behinderter (§ 53 Abs. 1 Satz 1 und § 72) oder pflegebedürftiger Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
  4. eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
  5. von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
  6. von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
  7. von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
  8. eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
  9. kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
  10. eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Verwertbarkeit des Vermögens[5]

Relevant ist nur das zum Zeitpunkt der Entscheidung verwertbare Vermögen. Als Verwertungshindernis kommen sowohl rechtliche als auch tatsächliche Gründe in Betracht[6].Damit kommen einerseits offensichtliche Gründe wie Veräußerungsverbote, mangelnde Fälligkeit von Forderungen, ein Verwertungsausschluss gem. § 168 Abs. 3 VVG oder anhängige Gerichtsverfahren in Betracht. Zum anderen ist aber auch das wirtschaftliche Ergebnis einer Vermögensverwertung zu betrachten. So kann eine vermietete Eigentumswohnung selbstverständlich veräußert werden. Steht dem Verkehrswert der Wohnung jedoch eine noch gleich hoch valutieren- de Grundschuld entgegen, ist eine Verwertung sinnlos[7]. Geringe Verwertungsverluste muss die Partei allerdings in Kauf nehmen[8], dies gilt insbesondere für Aktienanlagen u. Ä. Ist im Ehescheidungsverfahren der Vermögensgegenstand Bestandteil des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverbund, kommt eine Verwertung nicht in Betracht, da diese auch zu Lasten der Gegenseite gehen würde[9]

Die Prüfung der Verwertbarkeit erfolgt stets konkret auf den Gegenstand bezogen, eine Saldierung des Vermögens der Partei[10] findet nicht statt. Löst die Partei z. B. bestehende Kredite mit vorhandenem Bankguthaben nicht ab, geht dies nicht zu Lasten der Staatskasse.

Bei der Betrachtung des Gegenstandes ist eine Prüfung aller Umstände erforderlich, die für die Verwertung eine Rolle spielen[11]. Besondere Umstände, wie Miteigentümer:innen und Wohnrechte, sind zu beachten. Für den Verweis auf die Beleihbarkeit des Gegenstandes spielt auch die Kreditwürdigkeit der Partei eine Rolle. Eine Teilungsversteigerung ist zumutbar, ein entsprechend großzügiges Zahlungsziel ist hier jedoch angezeigt. [12]

Schonvermögen[13]

Dabei handelt es sich zunächst um Kapital im Rahmen einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge mit staatlicher Förderung[14], zum Beispiel

  • Versicherungen wie Lebens- und Rentenversicherungen,
  • Kapitalmarktprodukte wie Fonds und Schatzbriefe,
  • und Immobilien.

Die Betonung liegt hier auf der staatlichen Förderung.

Gesondert geschützt ist der seltene Fall von Vermögen zur baldigen Beschaffung eines Hausgrundstückes, jedoch nur, wenn es zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dienen soll.

Geschützt sind Gegenstände, die von der Partei im Rahmen der Berufsausbildung bzw. Erwerbstätigkeit benötigt werden. Hierzu kann bei Handelsvertreter:innen beispielsweise auch ein Kraftfahrzeug gehören. Wird das Fahrzeug allein zum Erreichen der Arbeitsstätte benötigt, ist es hier nicht geschützt.

Gegenstände, die für die Partei einen hohen ideellen Wert darstellen, also Familien- und Erbstücke, sollen ihr verbleiben. Als Maßstab dient die Frage, ob insoweit die Veräußerung eine besondere Härte[15] darstellen würde.

In angemessenem Rahmen verbleiben sollen Gegenstände zur Befriedigung geistiger Bedürfnisse, soweit sie keinen Luxus[16] darstellen. Hierunter zu subsumieren sind etwa Musikinstrumente, Bücher, CDs, DVDs sowie Gegenstände zu Religionsausübung.

Von erheblich größerer praktischer Bedeutung ist die Betrachtung des Wohneigentums. Zu prüfen sind die personellen Voraussetzungen und die Angemessenheit. Zunächst muss das Grundstück durch die Partei selbst oder durch Angehörige bewohnt werden. Als Angehörige gelten

  • der nicht getrennt lebende Ehegatte oder Lebenspartnerin,
  • der eheähnliche Lebensgefährte/die eheähnliche Lebensgefährtin,
  • sowie als Sonderfall Eltern/ein Elternteil, wenn minderjährige unverheiratete Kinder im Haushalt leben.

Dabei ist unerheblich, ob die Person allein oder mit anderen zusammen wohnt.

Diese Regelung schützt nur das Grundbedürfnis Wohnen. Die Frage der Angemessenheit kann sich hierbei am sozialen Wohnungsbau orientieren[17]:

Verwaltungsvorschrift für das Land Brandenburg zum Wohnraumförderungsgesetz VV-WoFGWo-BindG:

4. Zu § 10 Wohnungsgrößen

4.1. Im Land Brandenburg werden für alle geförderten Mietwohnungen nachfolgende Wohnungsgrößen als angemessene Wohnungsgrößen gemäß Abs. 1 Nr. 1 bestimmt, für Haushalte mit:

    • einer Person: bis zu 50 m² Wohnfläche oder 2 Wohnräume
    • zwei Personen: bis zu 65 m² Wohnfläche oder 2 Wohnräume
    • drei Personen: bis zu 80 m² Wohnfläche oder 3 Wohnräume
    • vier Personen: bis zu 90 m² Wohnfläche oder 4 Wohnräume.

Für jeden weiteren Haushaltsangehörigen erhöht sich die Wohnfläche um 10 m² oder einen weiteren Wohnraum.

Die entsprechende Wohnaufwendungenverordnung[18] für Berlin ist durch das BSG[19] hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen für unwirksam erklärt worden. Dies gilt m. E. jedoch nicht für die Wohnfläche.

Die Verordnung gibt an:

Einpersonenhaushalt
Zweipersonenhaushalt

50 m²
60 m²

In entsprechender Anwendung der Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin:

Dreipersonenhaushalt
Vierpersonenhaushalt
jede weitere Person

75 m²
85 m²
+12 m²

Bei dieser Berechnung werden jedoch nur die Partei und ihre Angehörigen berücksichtigt. In der Praxis sind die Grundstücke jedoch meist hoch belastet, so dass die Prüfung in diesem Fall schon bei der Frage der Verwertbarkeit beendet ist.

Weiterhin sollen der Partei kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte verbleiben. Die Rechtsprechung wendet hier die Verordnung zur Durchführung des § 90 II Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BarbetrV) an (Beträge Stand 01.01.2023[20]).

Einzelne nachfragende Person 10.000,00
EUR
Nachfragende Person und deren Ehegatte und Lebenspartner:in bzw. einer weiteren Person in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen 20.000,00
EUR
Für Personen, die von der nachfragenden Person oder seinem Ehegatten/Lebenspartner:in oder den Eltern oder des Elternteils überwiegend unterhalten wird, zusätzlich 500,00
EUR
Nachfragende Person minderjährig, unverheiratet und Prozesskostenhilfe auch vom Vermögen der Eltern abhängig 20.500,00
EUR
Nachfragende Person minderjährig, unverheiratet und Prozesskostenhilfe auch von einem Elternteil abhängig 10.500,00
EUR

Ein angemessener Hausrat, ausgenommen Luxusgegenstände, kann der Partei selbstverständlich belassen werden. Ebenfalls besteht kein Zugriff auf Vermögen, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstands geleistet wurde.

Bei Kraftfahrzeugen ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich; Wohnwagen, Zweitwagen etc. sind nie geschützt.

Hinsichtlich des Erstfahrzeugs ist durch die Anfügung des § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII zum 01.01.2023 eine Vereinfachung eingetreten. Ein beliebiges Kraftfahrzeug gehört zum Schonvermögen. Die Frage, ob ein vorhandener PKW angemessen ist, wird in der Rechtsprechung sehr unterschiedlich beurteilt.[21] Veröffentlichte Entscheidungen geben meist nur ein Beispiel für die Unangemessenheit des jeweiligen Fahrzeuges, ein preislicher Rahmen lässt sich dadurch schwer ziehen. Die Gesetzesbegründung[22] folgt hier einer älteren Entscheidung des BSG[23], die als Grenzwert 7.500 Euro ansetzt. Zusätzlich ist der Vermögensfreibetrag gem. BarbetrVO (10.000 Euro etc.) hinzuzurechnen, sofern dieser noch nicht genutzt worden ist.

Schonvermögen (§ 90 II SGB XII)

  • Altersvorsorge mit staatlicher Förderung
  • Vermögen zur Beschaffung eines Hausgrundstücks, wenn für Behinderte oder Pflegebedürftige
  • Gegenstände im Rahmen der Berufsausbildung bzw. Erwerbstätigkeit
  • Familien- und Erbstücke
  • Gegenstände zur Befriedigung geistiger Bedürfnisse
  • angemessenes Hausgrundstück, das selbst oder durch Angehörige bewohnt wird
  • kleinere Barbeträge (je 10.000 € für Partei und Lebensgefährte/in + 500 € pro Kind)
  • Hausrat
  • Öffentliche Existenzförderungsmittel
  • Kraftfahrzeug
[1] § 115 III ZPO
[2]LAG S-H BeckRS 2014, 69948
[3] LAG S-H BeckRS 2014, 69948
[4] Vgl. § 12 SGB II
[5] § 90 I SGB XII
[6] OLG Brandenburg, BeckRS 2007, 13646
[7] Wertgutachten kann nicht verlangt werden (OLG Frankfurt a. M., BeckRS 2010, 4219)
[8] OLG Saarbrücken BeckRS 2010, 10793
[9]  OLG Brandenburg Beschl. v. 23.1.2023 – 9 WF 4/23, BeckRS 2023, 1583
[10] Münder, § 90 SGB XII Rn 21, mit Entscheidung des BayObLG FGPrax 2004, 25 (zu § 1836c BGB)
[11] OLG Hamm, BeckRS 2016, 02905
[12] OLG Karlsruhe, BeckRS 2023, 32533
[13] § 90 II SGB XII
[14] Beleg: Zertifikat
[15] eng auszulegen, Vorliegen von ganz schwerwiegenden Umständen
[16] Luxus = weit über das bei vergleichbaren Bevölkerungsgruppen Übliche hinausgehende und Wert in keinem vertretbaren Verhältnis zur Lebenssituation
[17] ~ BSG BeckRS 2007, 41021 in Anwendung des 2. WoBauG (a. K. galt bis 31.12.2001, nun Ländersache); Anwendung der Länderverordnungen: OLG Hamm BeckRS 2014, 20519
[18] berlin.de/soziales/berliner-sozialrecht/archiv/rv/wav_konzept.html
[19] BSG NZS 2014, 749
[20] Zuletzt geändert durch Art. 9 Bürgergeld-G v. 16.12.2022 (BGBI. I S. 2328)
[21] angemessen:
250 DM, OLG Köln, FamRZ 1998, 1522
9.700 EUR, OLG Koblenz, BeckRS 2004, 03181
unangemessen:
15.000 DM, OVG Münster, NJW 1997, 540
PKW Opel Astra, OVG Koblenz, NJW 1997, 1939
ca. 9.000 EUR, KG, BeckRS 2006, 04950
14.000 EUR, OLG Bremen, BeckRS 2008, 21642
13.000 EUR, OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 1511
22.000 EUR, LAG Rheinland-Pfalz, BeckRS 2012, 74141

[22] BT-Drucksache 20/3873
[23] ~ BSG NJW 2008, 2281

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