PKH-Verfahren

RVG-Reform 2025: Übergangsrecht im PKH-Verfahren

Zum 1. Juni 2025 sind nicht nur die Beträge des § 13 RVG für die wertabhängigen Wahlanwaltsgebühren angehoben worden, sondern auch die Beträge für den im Rahmen eines PKH-Verfahren beigeordneten Rechtsanwalt gemäß der Tabelle des § 49 RVG. Daher stellt sich jetzt vermehrt auch für den beigeordneten Rechtsanwalt/die beigeordnete Rechtsanwältin die Frage des Übergangsrechts, also ob er oder sie bereits nach den neuen Gebührenbeträgen abrechnen darf oder ob noch die alten Gebührenbeträge gelten.

I. Die gesetzlichen Regelungen für den beigeordneten Rechtsanwalt

Für den beigeordneten Rechtsanwalt gelten insoweit die Vorschriften des § 60 Abs. 1 S. 2 bis 4 sowie Abs. 2 RVG.

Die Regelung des § 60 Abs. 1 S. 2 RVG geht davon aus, dass der Beiordnung ein Wahlmandat vorausgeht. Für diesen Fall verweist § 60 Abs. 1 S. 2 RVG auf § 60 Abs. 1 S. 1 RVG, der wiederum bestimmt, dass es für die Wahlanwaltsvergütung auf das Datum der unbedingten Auftragserteilung ankommt.

Ist der Beiordnung kein Wahlmandat vorausgegangen, dann gilt § 60 Abs. 1 S. 3 RVG. Maßgebend ist dann der Zeitpunkt der Beiordnung.

Ergänzend hierzu ordnet § 60 Abs. 1 S. 4 RVG an, dass im Falle der Beiordnung für mehrere Angelegenheiten der Zeitpunkt der Beiordnung nur für die erste Angelegenheit maßgebend ist und es für die weiteren Angelegenheiten auf den jeweiligen Auftrag zur weiteren Angelegenheit ankommt.

Schließlich gilt auch für den beigeordneten Anwalt die Vorschrift des § 60 Abs. 2 RVG, wenn mehrere Verfahren miteinander verbunden werden.

II. Einzelfälle des Übergangsrecht im PKH-Verfahren

Die zum Teil nicht einfach zu verstehenden Regelungen sollen im Folgenden anhand von Beispielen erläutert werden.

1. Erst Wahlanwaltsauftrag – dann Beiordnung

Der klassische Fall ist der, dass vor der Beiordnung bereits ein Wahlmandat besteht und hiernach der Anwalt beigeordnet wird. In diesem Fall ordnet § 60 Abs. 1 S. 2 RVG an, dass gegenüber der Landeskasse nach demselben Recht abzurechnen ist, das auch für die Wahlanwaltsvergütung gilt. Maßgebend ist dann also das frühere Datum der Auftragserteilung.

Beispiel 1:

Die Anwältin hatte im Mai 2025 für die Klägerin auftragsgemäß Klage eingereicht und Prozesskostenhilfe beantragt. Im Juni ist die PKH bewilligt und die Anwältin beigeordnet worden.

Dieser Fall ist eindeutig. Die Anwältin ist im Mai als Wahlanwältin beauftragt worden, sodass für sie die alte Wahlanwaltsvergütung gilt. Über § 60 Abs. 1 S. 2 RVG gelten damit auch gegenüber der Landeskasse die alten Gebührenbeträge.

Beispiel 2:

Die Anwältin war im April 2025 von der Beklagten der Auftrag erteilt worden, sie in einem Rechtsstreit zu vertreten und die Klage abzuwehren. Im Oktober wird für die Beklagte Prozesskostenhilfe beantragt. Die Anwältin wird beigeordnet.

Auch hier gilt das Gleiche. Der Wahlanwaltsauftrag ist vor dem 1.6.2025 erteilt worden, sodass auch hierfür die Vergütung aus der Landeskasse gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 RVG altes Recht gilt.

Durch die mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 eingeführte Vorschrift des § 60 Abs. 1 S. 2 RVG ist damit klargestellt worden, dass derselbe Anwalt hinsichtlich seiner Wahlanwaltsvergütung und seiner Pflichtanwaltsvergütung stets nach demselben Recht abrechnet. Nach der früheren Rechtslage wurde die Auffassung vertreten, dass es hier zu unterschiedlichem Recht kommen könne, sodass also derselbe Anwalt gegenüber der Landeskasse nach einem anderen Recht abrechnet, als gegenüber der Mandantschaft. Dies führte zu erheblichen Schwierigkeiten, da auch Anrechnungen der Wahlanwaltsvergütung auf die Pflichtvergütung vorgesehen sind, was bei unterschiedlichem Recht kaum zu bewerkstelligen war.

2. Unbedingter Auftrag im PKH-Verfahren – bedingter Auftrag zur Hauptsache

In dieser Fallgruppe wird häufig verkannt, dass das PKH-Verfahren auf Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe gemäß § 17 Nr. 2 RVG zusammen mit dem Verfahren, für das Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, dieselbe Angelegenheit sind. Maßgeblicher Zeitpunkt ist also der frühere Auftrag für das PKH-Bewilligungsverfahren (OLG Saarbrücken AGS 2014, 275 = NZFam 2014, 711).

Beispiel 3:

Die Anwältin ist im April 2025 von der Mandantin der Auftrag erteilt worden, Prozesskostenhilfe für einen Rechtsstreit zu beantragen. Für den Fall, dass die beantragte PKH bewilligt wird, soll die Anwältin dann auch die Hauptsacheklage führen. Der PKH-Antrag ist im Mai eingereicht worden. Im Juni ist die PKH bewilligt und die Anwältin beigeordnet worden.

Der Auftrag zur Angelegenheit ist bereits im April 2025 erteilt worden. Da das PKH-Verfahren auf Bewilligung und das Hauptsacheverfahren dieselbe Angelegenheit sind (§ 17 Nr. 2 RVG), gilt also für die Wahlanwältin gem. § 61 Abs. 1 S. 1 RVG altes Recht und damit für die beigeordnete Anwältin ebenfalls (§ 60 Abs. 1 S. 2 RVG). Sie erhält ihre Vergütung aus der Landeskasse daher nach altem Recht.

3. Keine Vertretung im PKH-Verfahren – bedingter Auftrag zur Hauptsache

Im Gegensatz zur vorangegangenen Fallgruppe wird der Anwalt hier nicht bereits im Bewilligungsverfahren tätig, sodass § 17 Nr. 2 RVG hier keine Anwendung findet. Hier liegt ein echter bedingter Auftrag zu einer neuen Angelegenheit vor. Die Annahme des Auftrags hängt von der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ab. Erst mit Eintritt der Bedingung (§ 158 BGB) kommt ein Anwaltsvertrag zustande.

Beispiel 4:

Die Mandantin fragt die Anwältin, ob sie bereit sei, eine Klage einzureichen und auf PKH-Basis tätig zu werden. Die Anwältin erklärt, dazu bereit zu sein. Die Vertretung im PKH-Bewilligungsverfahren werde sie aber nicht übernehmen. Die Mandantin beantragt daraufhin selbst PKH, die bewilligt wird. Sodann wird die Rechtsanwältin beigeordnet.

Im Verfahren auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe war die Anwältin nicht tätig. Dieses Verfahren hat die Mandantin selbst betrieben (zur Zulässigkeit OLG Köln NJW-RR 2024, 1189 = AGS 2024, 515). Erst im Hauptsacheverfahren ist die Anwältin tätig geworden. Der Auftrag hierzu ist gemäß § 158 BGB mit dem Eintritt der Bedingung, nämlich dem Tag der Bewilligung und Beiordnung wirksam geworden. Die Vorschrift des § 17 Nr. 2 RVG greift hier nicht weiter, da die Anwältin im Bewilligungsverfahren nicht beauftragt war. Abzurechnen ist also nach neuem Recht.

4. Beiordnung ohne vorherigen Auftrag

Wird der Anwalt beigeordnet, ohne dass zuvor ein Wahlmandat besteht, ist auf das Datum der Beiordnung abzustellen. Solche Fälle sind bei der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe die Ausnahme, da in aller Regel zuvor ein Wahlanwaltsauftrag erteilt worden ist. Ist ausnahmsweise vor der Beiordnung kein Wahlmandat erteilt worden, dann ist auf § 60 Abs. 1 S. 3 RVG zurückzugreifen.

Beispiel 5:

Die Mandantin wird in einem im Jahr 2024 eingereichten Verfahren von Rechtsanwältin A vertreten, die ihr im Wege der PKH beigeordnet worden ist. Rechtsanwältin A erklärt im Mai 2025, das Mandat aus gesundheitlichen Gründen nicht weiterführen zu können. Rechtsanwalt B erklärt sich bereit, das Mandat im Falle der Beiordnung zu übernehmen. Im Juli 2025 ist Rechtsanwältin A entpflichtet und Rechtsanwalt B beigeordnet worden.

Vor der Beiordnung bestand kein Anwaltsvertrag. Ebenso wie im vorangegangenen Beispiel kommt der Anwaltsvertrag gemäß § 158 BGB erst mit der Beiordnung zustande. Maßgebend ist also das Datum der Beiordnung, sodass hier gem. § 60 Abs. 1 S. 3 RVG neues Recht gilt.

5. Beiordnung auch für zukünftige Angelegenheiten

Soweit sich eine Beiordnung auch auf weitere Angelegenheiten erstreckt, wäre es ungerecht, wenn auch für die zukünftigen Angelegenheiten auf das Datum der Beiordnung abgestellt würde. Der Anwalt wäre dann aufgrund der früheren Beiordnung auf Dauer an das alte Gebührenrecht gebunden. Daher ordnet § 60 Abs. 1 S. 4 RVG an, dass im Falle der Beiordnung für mehrere Angelegenheiten für die weitere Angelegenheit neues Recht gilt, wenn der Auftrag hierzu erst später erteilt wird.

Solche Fälle kommen insbesondere bei Pflichtverteidiger:innen vor, da ein Pflichtverteidiger für alle Instanzen bestellt wird, während bei der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe die Bewilligung für jede Instanz gesondert vorzunehmen ist. Hier gibt es allerdings auch Fälle, in denen sich eine Beiordnung auf mehrere Angelegenheiten erstreckt, z. B. im Fall des § 48 Abs. 2 S. 1 RVG.

Beispiel 6:

Im April 2025 war die Anwältin beauftragt worden, eine einstweilige Anordnung auf Unterhalt einzureichen und hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu beantragen. Die einstweilige Anordnung ist im Mai 2025 erlassen worden. Gleichzeitig ist Verfahrenskostenhilfe bewilligt und die Anwältin beigeordnet worden. Im Juni 2025 ist die Anwältin beauftragt worden, aus der einstweiligen Anordnung zu vollstrecken.

Für das einstweilige Anordnungsverfahren gilt nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG noch das alte Recht, da der Auftrag vor dem 1.6.2025 erteilt worden ist.

Beim Vollstreckungsverfahren handelt es sich nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG aber um eine neue selbstständige Angelegenheit. Daher gelten hierfür bereits die neuen Gebührenbeträge. Zwar ist die Beiordnung für das Vollstreckungsverfahren schon im April 2025 erfolgt. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich die Beiordnung in einem einstweiligen Anordnungsverfahren gem. § 48 Abs. 2 S. 1 RVG auch auf die Vollziehung bzw. Vollstreckung der einstweiligen Anordnung erstreckt, ohne dass es einer weiteren Beiordnung bedarf. Hier ist aber in § 60 Abs. 1 S. 4 RVG klargestellt, dass neues Recht anzuwenden ist, wenn sich die Beiordnung auf Angelegenheiten erstreckt, zu denen der Auftrag erst später erteilt wird. Im Vollstreckungsverfahren gelten daher bereits die neuen Gebührenbeträge.

Beispiel 7:

Im Januar 2025 war der Gläubigerin Prozesskostenhilfe für die Mobiliarvollstreckung bewilligt und ihre Anwältin beigeordnet worden. Im Oktober wird der Anwältin ein erneuter Auftrag zur Mobiliarvollstreckung erteilt, da sich neue Anhaltspunkte für verwertbares Vermögen ergeben haben.

Die erste Vollstreckung richtet sich nach altem Recht (§ 61 Abs. 1 S. 2, i. V.m. S. 1 RVG). Die Beiordnung für die zweite Vollstreckung ist zwar auch schon im Januar 2025 ausgesprochen worden, da nach § 119 Abs. 2 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen auch alle weiteren Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung umfasst. Da es sich jedoch um eine neue Angelegenheit handelt, richtet sich die Vergütung hierfür gemäß § 60 Abs. 1 S. 4 RVG nach neuem Recht.

6. Verbindung von Alt- und Neuverfahren

Werden mehrere Verfahren, miteinander verbunden, von denen sich ein Verfahren  nach altem Recht und ein Verfahren sich nach neuem Recht richtet, bleiben die bis zur Verbindung entstandenen Gebühren erhalten. Nach der Verbindung entstehen allerdings alle Gebühren gemäß § 60 Abs. 2 RVG nur noch nach altem Recht.

Beispiel 8:

Die Anwältin hatte im März 2025 für die Mandantin Klage gegen den B i. H. v. 10.000 Euro erhoben. Im Juli 2025 hatte B eine selbstständige Klage gegen die Mandantin i. H. v. 8.000 Euro erhoben. In beiden Verfahren ist der Mandantin PKH unter Beiordnung ihrer Anwältin bewilligt worden. Im Oktober 2025 werden beide Verfahren gem. § 145 ZPO miteinander verbunden und gemeinsam verhandelt. Führend ist das Klageverfahren der Mandantin.

Die Vergütung im Klageverfahren der Mandantin richtet sich nach altem Recht.

Die Vergütung im Klageverfahren des B richtet sich dagegen nach neuem Recht.

Da sich nach der Verbindung die Gebühren gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 39 Abs. 1 S. 1 GKG aus den zusammengerechneten Werten berechnen, gilt nach § 60 Abs. 2 RVG für die weiteren Gebühren, die nach der Verbindung entstehen, neues Recht. Für die bis zur Verbindung angefallenen Gebühren bleibt es dagegen gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG beim alten Recht.

Abzurechnen ist wie folgt:

I. Klage des B bis zur Verbindung (neues Recht)

1. 1,3-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV (Wert: 8.000,00 €)
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV-RVG                              Zwischensumme                                                                3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG                                  Gesamt:

II. Klage der Mandantin (altes Recht)

                  457,60 €

20,00 €

477,60 €

 90,74 €

568,34 €

1. 1,3-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 €)                                                                          2. 1,2-Terminsgebühr, § 49 RVG Nr. 3104 VV                          (Wert: 18.000,00 €)                                                            3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV-RVG                              Zwischensumme                                                                4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG                                  Gesamt:

                  486,20 €

                            502,80 €

20,00 €

1.009,00 €

 191,71 €

1.200,71 €

Bild: Adobe Stock/©Kzenon

Autor

  • Der Gebührenexperte und Rechtsanwalt Norbert Schneider hat bereits zahlreiche Werke zum RVG veröffentlicht, darunter Fälle und Lösungen zum RVG, AnwaltKommentar RVG, Streitwertkommentar und RVG Praxiswissen. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2025 zur Reisekostenabrechnung auswärtiger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Mitherausgeber der AGS-Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.

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