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Beiordnung im PKH-Prüfungsverfahren

Für ein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren selbst kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Anwalt nicht beigeordnet werden. Lediglich für den Abschluss eines Vergleichs kann Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet werden. Die gebührenrechtlichen Folgen dieser Beiordnung sind in der Anwaltschaft allerdings weitgehend unbekannt.

 I. Anwaltsvergütung

Wie hier vorzugehen und abzurechnen ist, lässt sich am besten anhand eines Beispiels erläutern.

Beispiel:

In einem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage über 10.000,00 € wird vom Gericht ein Erörterungstermin nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO anberaumt. Dort wird nach Erörterung ein Vergleich abgeschlossen.

Bereits im Jahr 1984 hat der BGH klargestellt, dass Prozesskostenhilfe für ein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht bewilligt werden kann.

1. Unter Prozessführung i.S.d. ZPO § 114 ist das eigentliche Streitverfahren zu verstehen, nicht aber das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren.

2. Die arme Partei wird nicht dadurch benachteiligt, dass ihr für das Prozesskostenhilfeverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt, insbesondere kein Anwalt beigeordnet wird. Bedarf sie vor Antragstellung der Beratung über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, so kann sie unter den Voraussetzungen von § 1 BerHG Rechtsberatung durch einen Anwalt oder das Gericht beantragen. Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe als solcher kann sodann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden (§ 117 Abs. 1 ZPO).

BGH, Beschl. v. 30.5.1984 – VIII ZR 298/83

In einer weiteren Entscheidung aus 2004 hat der BGH in Ergänzung seiner Rechtsprechung bestätigt, dass Prozesskostenhilfe zwar nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden kann, dass es jedoch möglich ist, Prozesskostenhilfe nur für den Abschluss eines Vergleichs zu bewilligen und insoweit einen Anwalt beizuordnen.

Im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur für den Vergleich, nicht aber für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 30.5.1984 – VIII ZR 298/83, BGHZ 91, 311).

BGH, Beschl. v. 8.6.2004 – VI ZB 49/03

Der Anwalt wird daher im Beispiel beantragen, dass das Gericht für den Vergleich Prozesskostenhilfe bewilligt und den Anwalt beiordnet. Sofern die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen, muss das Gericht dann für den Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe bewilligen und den Anwalt beiordnen.

Im Falle einer solchen Bewilligung und Beiordnung konnte der Anwalt nach der bis zum 31.12.2020 geltenden Rechtsprechung nur eine Einigungsgebühr, nicht aber auch die Verfahrens- und die Terminsgebühr mit der Landeskasse abrechnen..

Wird im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren für den Abschluss eines Vergleichs Verfahrenskostenhilfe bewilligt, beschränkt sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse auf eine 1,0 Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 VV. Eine Verfahrensgebühr gemäß Nrn. 3335, 3337 VV ist nicht festzusetzen.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2017 – 8 WF 202/17

Der Gebührensatz für die Einigungsgebühr ist dabei auf 1,0 beschränkt, da das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren bereits zur Anhängigkeit i.S.d. Nr. 1003 VV führt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Prozesskostenhilfe für ein selbstständiges Beweisverfahren beantragt wird (Anm. Abs. 1 zu Nr. 1003 VV).

Der Gegenstandswert richtet sich nach dem Wert der Hauptsache (§ 23a Abs. 1 RVG).

Die Gebührenbeträge wiederum bestimmen sich nach § 49 RVG. Der Anwalt erhält ab einem Wert von über 4.000,00 € nur noch die dort aufgeführten reduzierten Gebührenbeträge.

Nach der durch das KostRÄndG 2021 eingeführten Neufassung des § 48 Abs. 1 RVG hat sich die Rechtslage entscheidend geändert. In § 48 Abs. 1 S. 2  RVG heißt es jetzt:

2Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.“

Daraus folgt, dass bei einer Beiordnung lediglich für den Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren der beigeordnete Anwalt gleichwohl alle anfallenden Gebühren mit der Landeskasse abrechnen kann, also auch Verfahrensgebühr und - soweit angefallen - auch die Terminsgebühr.

Genau das war die Intention der Änderung des § 48 Abs. 1 RVG. Es heißt hierzu in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/23484 v. 19.10.2020), Hervorhebung durch den Autor:

Im vorgeschlagenen § 48 Absatz 1 Satz 2 RVG wird nunmehr allgemein für alle Verfahrensarten bestimmt, dass der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse im Falle der Erstreckung der Beiordnung auf den Abschluss eines Vergleichs alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen umfasst, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind. Dies soll auch dann gelten, wenn sich die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den Abschluss eines Vergleichs beschränkt. Durch die Regelung ist gewährleistet, dass dies auch gilt, wenn die Bewilligung oder Beiordnung in einem PKH-Bewilligungsverfahren erfolgt.

Der Anwalt erhält also im Beispiel nach neuem Recht alle drei anfallenden Gebühren (Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr) aus der Landeskasse, allerdings nach wie vor nach den Beträgen des § 49 RVG.

  1. 1,0-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3335 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. 1,2-Terminsgebühr, § 49 RVG, Vorbem. 3.3.6 S. 2, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 €)
  3. 1,0-Einigungsgebühr, § 49 RVG, Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV (Wert: 10.000,00 €)
  4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

5 . 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

339,00 €

406,80 €

339,00 €

20,00 €

1.104,80 €

209,91 €

1.314,71 €

Zu beachten ist, dass die Terminsgebühr nur bei einer Einigung im Termin anfällt oder dann, wenn der Einigung eine Besprechung des Anwalts zur Erledigung des Verfahrens i. S. d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 VV vorausgegangen ist. Wird der Vergleich lediglich im schriftlichen Verfahren geschlossen, entsteht keine Terminsgebühr, da im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht greift.

Abwandlung:

Es wird auf Vorschlag des Gerichts lediglich ein Vergleich im Wege des § 278 Abs. 6 VV geschlossen, ohne dass zuvor eine Besprechung stattgefunden hat.

Auch jetzt erhält der Anwalt alle anfallenden Gebühren. Allerdings ist jetzt nur eine Verfahrens-, und eine Einigungsgebühr angefallen, nicht aber auch eine Terminsgebühr.

  1. 1,0-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3335 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. 1,0-Einigungsgebühr, § 49 RVG, Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV (Wert: 10.000,00 €)
  3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt

339,00 €

339,00 €

20,00 €

698,00 €

132,62 €

830,62 €

Denkbar ist auch der Abschluss eines Mehrwertvergleichs. Auch insoweit kann Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Der Anwalt sollte dann nur darauf achten, dass sich die Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrwert des Vergleichs erstreckt (§ 48 Abs. 1 S. 1 RVG).

Abwandlung:

Im Termin wird ein Vergleich auch über weitere nicht anhängige 5.000,00 € geschlossen. Das Gericht bewilligt Prozesskostenhilfe für den Abschluss des Vergleichts einschließlich des Mehrwerts.

Jetzt erhält der Anwalt aus dem Mehrwert von der Landeskasse unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG zusätzlich eine Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3337 VV (Anm. Nr. 2 zu Nr. 3337 VV). Der Gegenstandswert der Terminsgebühr erhöht sich. Hinzu kommt unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,5-Einigungsgebühr aus dem Mehrwert. Eine Reduzierung nach Nr. 1003 VV greift insoweit nicht (Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1003 VV).

  1. 1,0-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3335 VV (Wert: 10.000,00 €)
  2. 0,0-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nrn. 3335, 3337 VV (Wert: 5.000,00 €)

gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,0 aus 15.000,00 €

  1. 1,2-Terminsgebühr, § 49 RVG, Vorbem. 3.3.6 S. 2, Nr. 3104 VV (Wert: 15.000,00 €)
  2. 1,0-Einigungsgebühr, § 49 RVG, Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV (Wert: 10.000,00 €)
  3. 1,5-Einigungsgebühr, § 49 RVG, Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV (Wert: 5.000,00 €)

gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,5 aus 15.000,00 €

  1. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV

Zwischensumme

7. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

Gesamt

339,00 €

142,00 €

369,00 €

442,80 €

339,00 €

426,00 €

553,50 €

20,00 €

2.631,30 €

261,23 €

2.892,53 €

II. Gerichtskosten

Das Verfahren über die Prozesskostenhilfe ist gerichtsgebührenfrei, da das GKG für dieses Verfahren keine Gebühren vorsieht. Auch für den Mehrwertvergleich darf keine Gerichtsgebühr erhöben werden (Anm. zu Nr. 1900 GKG-KV).

III. Keine Inanspruchnahme der bedürftigen Partei

Soweit die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung hinter der Wahlanwaltsvergütung zurückbleibt, kann die bedürftige Partei auch in dieser Konstellation nicht in Anspruch genommen werden (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Lediglich dann, wenn Ratenzahlung angeordnet ist, kann der Anwalt seine weitergehende Vergütung mit der Landeskasse abrechnen (§ 50 RVG).

IV. Praxishinweis

Erfahrungsgemäß ist den Urkundsbeamten die neue Regelung des § 48 Abs. 1 S. 2 RVG unbekannt, obwohl sie schon seit über drei Jahren in Kraft ist. Es schadet daher nichts, mit dem Abrechnungsantrag auf den Wortlaut des § 48 Abs. 1 S. 2 RVG hinzuweisen.

Sollten Verfahrens- und/oder Terminsgebühr abgesetzt werden, ist hiergegen die Erinnerung gem. § 56 RVG und gegebenenfalls die Beschwerde gegeben.

Bild: Adobe Stocks/©David

Autor

  • Norbert Schneider

    Der Gebührenexperte und Rechtsanwalt Norbert Schneider hat bereits zahlreiche Werke zum RVG veröffentlicht, darunter Fälle und Lösungen zum RVG, AnwaltKommentar RVG, Streitwertkommentar und RVG Praxiswissen. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung auswärtiger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Mitherausgeber der AGS-Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht sowie der NZFam.

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